Eindhoven, Den Haag und Rotterdam – die diesjährige Delegationsreise führte Unternehmensvertreter und Wissenschaftlerinnen aus der Metropole Ruhr zu Expertinnen und Experten von Cybersecurity, Industrie oder Wasserstoff an den niederländischen Top-Standorten. Mit der Innovation Bridge baut die Business Metropole Ruhr die Netzwerke in die niederländischen Standorte systematisch aus. Das Interesse auf niederländischer Seite ist groß, wie nicht nur die starke Teilnahme am Netzwerkempfang in Den Haag zeigte.
Mehr Tempo - durch andere Ansätze und Kooperation
Roboterarme drehen sich, mannshohe Metalldrucker surren in Reihe, dazwischen lindgrüne Sitzecken und Cafeterien, sogar ein Theater für Events. Lange helle Gänge ziehen sich durch die riesige Leichtbauhalle am Rande von Eindhoven. Links und rechts hinter deckenhohen Glasscheiben Laboratorien und Makerspaces. Der Austausch ist Prinzip. Der Brainport Campus ist eine niederländische Erfolgsgeschichte. 2.000 Studierende lernen hier ganz praktisch mit über 2.000 Angestellten von 122 Partnerunternehmen und Hochschulen. Erst 2018 eröffnet, ist die riesige Anlage bei marktüblichen Mieten zu 95 Prozent vermietet. Frits Hoeve, Programmmanager erklärte den gemeinsamen Arbeitsschwerpunkt:
Unternehmen arbeiten mit Forschungsinstituten gezielt an konkreten Projekten zum beiderseitigen Vorteil. Die Region war in Vorleistung getreten und hat den Campus gebaut, nach und nach zogen die Unternehmen mit. Logos einzelner großer Sponsoren sieht man nirgends. In Präsentationen werden die Partner gleichrangig aufgemalt. Getragen wird das Projekt weiterhin von regionalen Wirtschaftsförderungen sowie Branchenverbänden.
Dabei sind hier große Konzerne stark involviert. ASML ist der weltweit größte Hersteller von Lithographiesystemen für die Halbleiterindustrie, eine Schlüsselindustrie für die Weltwirtschaft. 1984 aus dem Philipps-Konzern entwachsen, sitzt ASML mit der Hälfte der heute 40.000 Mitarbeitenden weiterhin in Eindhoven. Wie im Brainport Campus setzt ASML auf Austausch und Kooperation in der Lieferkette, berichtete Executive Vice Präsident, Jan Keller: „Wir kaufen 85 Prozent der Wertschöpfung ein.“ Die Zusammenarbeit mit Zulieferern ist eng, aus Deutschland mit Zeiss, Trumpf oder Fraunhofer. Auch mit der Ruhr-Universität Bochum arbeitet man zusammen. Das Ökosystem war immer global, nie lokal. Die umfassend gedachte Lieferkette sichert Innovation und Tempo.
Über Grenzen hinweg die gleichen Themen
Energie, Umweltwirtschaft und Cybersicherheit – die Metropole Ruhr hat ähnliche Fokusthemen wie Zuid-Holland mit dem nationalen IT-Security-Cluster in Den Haag oder mit dem Hafen in Rotterdam.
So lud die Hydrogen Metropole Ruhr (HyMR), die Wasserstoffinitiative von Regionalverband Ruhr und BMR, zum Wasserstoffgespräch mit Vertretern der gesamten Wertschöpfungskette nach Rotterdam. Den Markthochlauf bestmöglich zu unterstützen sei die Aufgabe der HyMR, so Hubmanager Jörn Kleinelümern, der die Runde moderierte.
Grenzüberschreitende Kooperation sei mit entscheidend für den Erfolg des Wasserstoffmarkthochlaufs, so die Einigkeit. „Wasserstoff ist ein globales Thema, aber Europa ist Vorreiter“, so Walter Demenint, Program Manager Hydrogen des Hafens Rotterdam: 90 Prozent des grünen Wasserstoffs für den Kontinent müssten aus sonnigen Ländern importiert werden, hofft der Rotterdamer Hafen auf gute Geschäfte. Bereits ab 2025 beginne der Import, insgesamt neun Terminals würden geplant. Schon jetzt ist Rotterdam an Projekten in Häfen im Oman und in Brasilien beteiligt.
Damit der Wasserstoff von den Niederlanden in die Metropole Ruhr gelangt, plant Thyssengas längst Pipeline-Projekte. Jan Eisenberg, für Thyssengas GmbH Teilnehmer der Delegation aus dem Ruhrgebiet, stellte die Pläne für ein grenzüberschreitendes Wasserstoff-Netz vor. „Wir haben hundert Jahre Erfahrung mit dem Bau und sicheren Betrieb von Gasleitungen“, so Eisenberg. Ab 2027 würden zwei bestehende grenzüberschreitende Pipelines in Vlieghuis und Zevenaar von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt, um den grenzüberschreitenden Wasserstofftransport zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen zu ermöglichen. Die Nachfrage ist da. Gerade bei großen Abnehmern wie Thyssenkrupp.
Neben der Industrie ist Mobilität ein zweites wichtiges Anwendungsfeld. „Wir sehen große Chancen darin, Wasserstoff für Mobilität zu produzieren. Der Bedarf, emissionsfrei zu werden, wächst auch in der Mobilität. Ab 2026 kommen neue Wasserstoff-LKW auf den Markt“, sagte Wouter van der Laak von VoltH2. Das junge niederländische Unternehmen hatte in der gleichen Woche im Beisein von König Willem-Alexander und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst Förderbescheide in Höhe von 15 Millionen Euro für die Errichtung zweier Elektrolyseure in Essen und Gelsenkirchen erhalten.
Austausch auf Augenhöhe: Wie das Ruhrgebiet ist auch Den Haag ein internationaler Hotspot für Cybersecurity. Der Hague Security Delta Campus (HSD) bietet Büros und Kollaboration für mehr als 275 Partnerunternehmen – vom Start-up bis zum Konzern. Die mitgereisten Experten tauschten sich mit ihren niederländischen Kolleginnen und Kollegen über Fachkräfte, Resilienz und Innovationsmanagement aus. Die Zusammenarbeit der Partnerunternehmen in der Den Haag-Cybersecurity-Community ist der Lösungsansatz für die Suche nach Kapital, Märkten und Talenten. Nur durch Kooperation in Europa – so die gemeinsame Botschaft – kann die Wettbewerbsfähigkeit gegen USA und Asien bewahrt werden.
Man kennt das Ruhrgebiet - man schätzt das Ruhrgebiet
„A home apart from home“ – das ist das Ruhrgebiet für niederländische Unternehmer, sagte Yvonne Hoogendoorn, CEO und Co-Founder von Secumailer beim Netzwerkempfang der Innovation Bridge Netherlands in Den Haag - auch mit Blick auf die Unterstützungsangebote der Business Metropole Ruhr. Hoogendoorn hat mit ihrer Firma den Schritt ins Ruhrgebiet gemacht. Stellvertretend warb sie zusammen mit Jan-Martijn Broekhof, CEO von Guardian360 B.V., beim Talk für die Expansion niederländischer Firmen nach Deutschland und insbesondere die Metropole Ruhr als Startpunkt.
Historische Kulisse, die Zukunft im Blick: Über 70 Gäste waren zu dem Empfang in den Spanischen Hof gekommen, einem Stadtpalast aus dem 17. Jahrhundert im Herzen Den Haags. Frank Speer, Leiter Internationalisierung & Standortmarketing der BMR, zeigte in seiner Präsentation die Standortvorteile des Ruhrgebiets nicht nur für Scale-ups auf. „Über fünf Millionen potenzielle Kunden, gut ausgebildete Fachkräfte und offene Netzwerke zum Einsteigen.“ Gerade diese Einstiegspunkte interessierten die 70 Gäste, die allesamt das Ruhrgebiet als interessanten Markt bereits auf dem Schirm hatten. Ihre Fragen aber: Schafft man die Kundenbetreuung an der Ruhr aus den Niederlanden oder braucht es Personal vor Ort? Wie gelingt der Zugang zu Netzwerken, um Kunden und Partner zu gewinnen? Im Gespräch konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Delegationsreise und die Experten der BMR und HyMR viele konkrete Ratschläge geben.
Die Innovation Bridge Netherlands ist ein Projekt der Business Metropole Ruhr. Es umfasst Delegationsreisen in die Niederlande, aber auch Investmentreisen für niederländische Unternehmen in die Metropole Ruhr. Webinare für Scale-ups runden das Angebot für die Niederländerinnen und Niederländer ab. Die Delegationsreisen organisiert die BMR in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Niederländischen Handelskammer.