Ein Großteil der Wohngebäude im Ruhrgebiet wurde vor 1979 errichtet und verbraucht im Durchschnitt fünfmal mehr Energie als moderne Neubauten. Die energetische Sanierung dieser Bestandsgebäude ist daher ein zentraler Ansatz, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und gleichzeitig wertvolle Ressourcen zu schonen. Trotz der ökologischen und ökonomischen Vorteile stehen Sanierung und Umnutzung von Bestandsbauten vor großen Herausforderungen - darüber sprachen wir mit Professor Achim Pfeiffer von der Hochschule Bochum.
Welche Chancen bietet Bauen im Bestand für den Immobilienbestand im Ruhrgebiet?
Prof. Achim Pfeiffer: Ich denke, dass der intelligente Umgang mit Bestandsbauten wirtschaftliche Vorteile gegenüber dem Neubau in einem eher moderaten Immobilienmarkt darstellt. Als Imageträger hat der Bestand im Ruhrgebiet unter der Marke „Industriekultur“ bereits bewiesen, welche Strahlkraft dieser Prozess entwickeln kann. Insofern bietet sich dem Ruhrgebiet hier auch die Chance, sich als Region der gekonnten Transformation zu profilieren.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für das Bauen im Bestand?
Prof. Achim Pfeiffer: Aus meiner Sicht die Rechtslage. Genehmigungsprozesse und Haftungsfragen sind derzeit (noch) große Hürden.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei diesem Thema?
Prof. Achim Pfeiffer: Speziell im Umgang mit Bestand sehe ich derzeit große Veränderungen bei der Bestandserfassung. Sowohl das Vermessungswesen als auch der Zugriff auf Bauteildatenbanken sind in der Bestandsplanung durch die Digitalisierung deutlich vereinfacht worden.
Können Sie ein Beispiel für ein erfolgreiches Projekt im Bereich Bauen im Bestand nennen und erläutern, was es besonders gemacht hat?
Prof. Achim Pfeiffer: Ich möchte hier die Lukaskirche in Essen nennen: Eine private Bauherrin entwickelte aus einer Kirche ein Wohngebäude. Das Projekt ist insofern relevant, als dass es weder als denkmalgeschütztes Kulturgut oder aus sonstigem öffentlichen Interesse, sondern aus unternehmerischem Kalkül entstanden ist. Dabei spielte die Tatsache, dass die Menschen durchaus eine besondere Beziehung zu ihrer Wohnung haben, wenn sie früher eine Kirche war, eine wirtschaftliche Rolle. Hier finden also wirtschaftliche, städtebauliche, soziale und kulturelle Interessen zusammen.
Zur Person
Prof. Dipl.-Ing. Achim Pfeiffer ist Architekt und Professor an der Hochschule Bochum. Er lehrt im Fachbereich Architektur. Sein Schwerpunkt: Entwerfen und Konstruieren im Bestand, ein Bereich, der sich mit der nachhaltigen und kreativen Umnutzung bestehender Gebäude beschäftigt. Pfeiffer betont die Bedeutung des Weiterbauens und der Reparatur, um die Kultur des Bauens im Bestand zu fördern.
Nach seinem Architekturstudium an der RWTH Aachen sammelte er umfangreiche Praxiserfahrung in verschiedenen Architekturbüros, seit 2011 ist er als Lehrbeauftragter und später als Professor an der Hochschule Bochum tätig.
Neben seiner akademischen Laufbahn ist Prof. Pfeiffer geschäftsführender Gesellschafter bei Böll Architekten, Mitglied im Gestaltungsbeirat der Stadt Dortmund und Mitglied im Beirat des UmBauLabor der Initiative Baukultur NRW.
Foto Header UmBauLabor: Sebastian Becker