Eine historisch-statistische Studie von Dr. Dietmar Bleidick („Die Energieregion Ruhrgebiet“, 2023) zeigt, wie tief das Know-how in der Region reicht – und warum das Ruhrgebiet heute wieder im Zentrum der deutschen Wasserstoffwirtschaft steht.
Von der Kohlechemie zur Molekülenergie: Drei Etappen der Wasserstoffgeschichte
Bereits in der Zwischenkriegszeit war Wasserstoff ein zentraler Rohstoff der chemischen Industrie. Im Ruhrgebiet wurden gleich drei Schlüsselverfahren entwickelt, die bis heute Anwendung finden:
- Hydrierung nach Bergius: Verflüssigung von Kohle zu synthetischem Benzin
- Fischer-Tropsch-Synthese: Produktion von Kraftstoffen auf Basis von Kohlenmonoxid und Wasserstoff
- Oxo-Synthese: Herstellung von Vorprodukten für Waschmittel und Kunststoffe
Diese Verfahren begründeten die industrielle Wasserstoffkompetenz des Ruhrgebiets – lange bevor der Begriff „Energiewende“ existierte.
In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Wasserstoff systematisch zur industriellen Versorgung genutzt. Bereits 1967 verfügte das Ruhrgebiet über das weltweit größte Wasserstoffpipelinenetz mit rund 677 Kilometern Länge.
Ein Beispiel: Die Firma Hüls in Marl (heute Teil der Evonik-Gruppe) produzierte 1966 etwa 425 Millionen Kubikmeter Wasserstoff – rund 95 % der damaligen deutschen Gesamtproduktion. Diese Infrastruktur bildete das Rückgrat für Chemie- und Raffineriebetriebe zwischen Marl, Gelsenkirchen und Köln.
Im Zuge der Energiewende und der zunehmenden Dekarbonisierung energieintensiver Industrien vollzieht das Ruhrgebiet aktuell eine Transformation zur Wasserstoffregion. Dabei knüpft die Region nicht nur an ihre chemisch-industrielle Tradition an, sondern baut gezielt auf vorhandene Infrastrukturen, leistungsfähige Unternehmen, innovative Forschungskapazitäten und wirtschaftliche Netzwerke auf:
- Thyssenkrupp Steel baut in Duisburg eine wasserstofffähige Direktreduktionsanlage, um klimaneutralen Stahl zu produzieren.
- GET H2: Ein überregionales Wasserstoffprojekt mit zentraler Infrastruktur im Ruhrgebiet
- Dichte Forschungslandschaft, die den Wasserstoffhochlauf mit innovativen Ansätzen unterstützt (z. B. Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen, Zentrum für Brennstoffzellentechnik in Duisburg, Westfälische Hochschule in Gelsenkirchen, Gas- und Wärme-Institut in Essen)
Diese Entwicklungen zeigen: Die Region verfügt nicht nur über industrielle Erfahrung, sondern auch über die nötige Transformationsbereitschaft.
Warum Wasserstoff im Ruhrgebiet mehr ist als ein Trend
Die Region hat bewiesen, dass sie technologische Entwicklungen aktiv gestalten kann – früher durch die Nutzung von Wasserstoff als chemischem Grundstoff, heute zusätzlich als emissionsfreier Energieträger. Die Anwendung hat sich gewandelt – das Know-how ist geblieben.
In einer Zeit, in der Deutschland unabhängiger von fossilen Energieimporten werden muss und energieintensive Branchen klimaneutral wirtschaften wollen, bieten sich dem Ruhrgebiet reale Chancen, eine führende Rolle in der nationalen und europäischen Wasserstoffwirtschaft zu übernehmen – auf Basis historischer Stärke und aktueller Innovationskraft.
Diese Standortvorteile machen das Ruhrgebiet zur idealen Region für Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft:
- Vorhandene Infrastruktur (Pipelines, Industrieareale)
- Strategisch günstige Lage in Europa
- Hohe Energienachfrage in räumlicher Nähe
- Dichtes Forschungsnetzwerk
- Ansiedlungsflächen für Großprojekte
Quelle: Dr. Dietmar Bleidick. 2023. Die Energieregion Ruhrgebiet: Eine historisch-statistische Studie. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG: Baden-Baden.
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