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© ytemha34

EU GREEN DEAL:
13 Fragen DIE KMU jetzt inter­essieren

Gerade erst hat sich das Vokabular für Unternehmen rund um die Nachhaltigkeitsberichtspflicht um Begriffe wie VSME und OMNIBUS erweitert. Greentech.Ruhr hat bei Dr. Martin Bethke nachgefragt, was für kleine und mittelständische Unternehmen jetzt auf der To-Do-Liste steht. Kommt die Vereinfachung oder fällt die Berichtspflicht gar ganz weg?

Einstieg und Einordnung

  • 1. Viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) empfinden den EU Green Deal und seine Regulatorik als überfordernd – was sind aus Ihrer Sicht aktuell die größten strategischen Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen?

Die aktuelle Situation ist für viele dieser Unternehmen tatsächlich herausfordernd. Die Regulierungsdichte ist mit dem EU Green Deal erst gestiegen und wird aktuell auf politischer Ebene wieder verändert (Stichwort OMNIBUS-Paket). Die Folge ist eine große Verunsicherung bei vielen Unternehmerinnen und Unternehmern. Zudem fehlt es vielfach an Wissen, Kapazitäten und auch finanziellen Mitteln, wie die neuen Anforderungen praktisch umzusetzen sind. Gleichzeitig wird Nachhaltigkeit aber zum zentralen Wettbewerbsfaktor.

Unternehmen sollten daher versuchen, den Fokus auf das Wesentliche zu legen: Schritt für Schritt relevante Themen angehen, interne Ressourcen aufbauen und sich strategisch positionieren, statt sich von der Komplexität lähmen zu lassen.

  • 2. Welche Rolle spielen KMU für die grüne Transformation Europas – und warum ist ihre aktive Beteiligung aus Ihrer Sicht unverzichtbar?

Kleine und mittelständische Unternehmen machen über 99 Prozent der Unternehmen in Europa aus (ca. 26 Millionen) und beschäftigen zwei Drittel aller Arbeitnehmenden. Ihre Innovationskraft und Kundennähe sind entscheidend, um nachhaltige Lösungen schnell und breit in den Markt zu bringen. Ohne deren aktive Mitwirkung wird die grüne Transformation nicht gelingen.

  • 3. Wie gut sind die KMU im Ruhrgebiet derzeit aufgestellt, wenn es um Nachhaltigkeit und ESG geht?

Viele KMU im Ruhrgebiet haben erste Maßnahmen ergriffen, beispielsweise im Bereich CO2-Erfassung, Energieeffizienz oder Kreislaufwirtschaft. Aber häufig fehlt noch eine ganzheitliche ESG-Strategie, die Nachhaltigkeit nicht nur projektbezogen, sondern systematisch in Unternehmensprozesse integriert. Dabei fällt es in der Regel größeren Unternehmen aufgrund vorhandener Ressourcen meistens leichter als den kleineren Betrieben. Für diejenigen, die noch am Anfang stehen, haben wir auch diese Informationsreihe bei Greentech.Ruhr zusammengestellt - in mehreren Artikel erläutern wir etwa, was sich hinter einer ESG-Strategie verbirgt und wie man diese angeht.

Aktuelle Entwicklungen: VSME und OMNIBUS-Richtlinie

  • 4. Mit der VSME-Verordnung gibt es erstmals Standards für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung kleiner Unternehmen – was ist darunter zu verstehen?

Die VSME-Standards sollen kleineren Unternehmen eine einfachere, freiwillige Möglichkeit geben, ihre Nachhaltigkeitsleistung transparent darzustellen. Dabei geht es nicht um zusätzliche Pflichtberichte, sondern um einen Rahmen, der Vertrauen bei Kunden, Finanzinstituten und Partnern schafft.

  • 5. Welche konkreten Vorteile bietet die freiwillige Anwendung der VSME-Standards für KMU – insbesondere im Hinblick auf Marktzugang, Ausschreibungen oder Finanzierung?

Um es kurz und knapp zu sagen: Wer den VSME-Standard nutzt, signalisiert Verantwortung und Zukunftsfähigkeit. Das erhöht die Chancen bei Ausschreibungen, verbessert die Position bei Investoren und Banken und hilft, neue Geschäftsfelder zu erschließen, bei denen Nachhaltigkeit ein entscheidendes Kriterium ist. Es lohnt sich daher in jedem Fall eine Beschäftigung mit dem Thema und wir haben dies für die Business Metropole Ruhr auch schon einmal in einem eigenen Beitrag ausführlicher behandelt.

  • 6. Welche Herausforderungen oder Unsicherheiten begegnen Ihnen in Gesprächen mit Unternehmen bei der Anwendung der VSME-Standards?

Viele Unternehmen fragen sich: Wo sollen wir anfangen? Was ist für uns wirklich relevant? Oft fehlt die Orientierung oder das Wissen, welche Themenfelder priorisiert werden sollten. Dazu gehören z.B. dann auch die Schwierigkeit, die notwendigen Daten zu erfassen, die Komplexität des Standards für KMUs zu überblicken. Aber auch die Notwendigkeit, bestehende Berichtsstrukturen zu integrieren, und Anforderungen von Großkunden oder der Lieferkette zu berücksichtigen.

  • 7. Was hat es mit der sogenannten OMNIBUS-Richtlinie auf sich und inwiefern betrifft sie nicht direkt berichtspflichtige KMU?

Die OMNIBUS-Regulierung zielt darauf ab, KMU zu entlasten, indem sie die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Sorgfaltspflichten vereinfacht und die Berichtspflichten reduziert. Die Änderungen sollen KMU ermöglichen, sich auf die wesentlichen Informationen zu konzentrieren und den administrativen Aufwand zu minimieren. Wichtig ist es dabei jedoch zu beachten, dass auch nicht direkt berichtspflichtige KMU mittelbar betroffen sind, etwa über Lieferkettenanforderungen größerer Kunden, die eigene Berichtspflichten auf ihre Partnerunternehmen ausweiten.

  • 8. Welche Aspekte der OMNIBUS-Richtlinie sorgen aktuell für besondere Verunsicherung – und wie kann man diesen konstruktiv begegnen?

Verunsicherung entsteht vor allem durch die politische Dynamik der Änderungen und die Angst, plötzlich Anforderungen erfüllen zu müssen, die nicht auf das eigene Unternehmen zugeschnitten sind. Hier hilft ein ruhiger, strukturierter Ansatz: Beobachten, priorisieren, frühzeitig mit Partnern kommunizieren und erste ESG-Daten systematisch erfassen. Denn letztendlich gehört zum unternehmerischen Handeln der Dreiklang aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen, denen es gilt gerecht zu werden.

Kritik und Chancen

  • 9. Kritiker sagen, dass der Aufwand für Berichterstattung und nachhaltige Transformation für viele KMU zu hoch sei – wie begegnen Sie dieser Sichtweise, insbesondere aus strategischer Perspektive?

Ja, der Aufwand ist zweifelsohne spürbar. Aber ESG ist kein Selbstzweck. Es geht um Zukunftssicherung, Effizienzgewinne, Wettbewerbsfähigkeit und Risikomanagement. Richtig umgesetzt, kann ESG langfristig Kosten senken und den Unternehmenswert steigern, sowie gleichzeitig mehr Transparenz über den unternehmerischen Handlungsspielraum bieten.

Skeptischen Unternehmern und Unternehmerinnen würde ich sagen: Ja, Nachhaltigkeit kostet Ressourcen – aber sie eröffnet auch neue Märkte, sichert Finanzierung und schützt vor Reputationsrisiken. Wer frühzeitig handelt, verschafft sich klare Wettbewerbsvorteile und sichert sich damit auch mittel-​ bis langfristige Profitabilität.

  • 10. Sehen Sie in der nachhaltigen Transformation einen echten Wettbewerbsvorteil für KMU – und wenn ja, in welchen Bereichen konkret?

Absolut. Wettbewerbsvorteile entstehen bei öffentlichen Ausschreibungen, in der Kundenbindung (vor allem bei jüngeren Zielgruppen), bei der Gewinnung von Fachkräften, in der Zusammenarbeit mit größeren Unternehmen und durch einen besseren Zugang zu Finanzierungen. Zudem zeigen Studien, dass mit einer nachhaltigen Reputation auch eine höhere Profitabilität zu erzielen ist, da Kunden bereit sind, höhere Preise zu zahlen.

Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass hier Risiken entstehen, wenn Unternehmen sich nicht mit ESG befassen, oder das Thema nicht ernst nehmen.  
 

Praxisbezug und Handlungsempfehlungen

  • 11. Welche konkreten Quick Wins können KMU kurzfristig umsetzen, um ESG strukturiert und praxisnah anzugehen – ohne sofort tief in komplexe Prozesse oder Berichterstattung einzusteigen?

Es geht darum, pragmatisch anzufangen, ohne sich zu überfordern. Drei Quick Wins sehe ich besonders:

Erstens: Energieverbrauch erfassen und erste Optimierungen umsetzen – das spart sofort Kosten und reduziert Emissionen.

Zweitens: Eine kurze Stakeholder-Analyse machen: Wer fragt mich heute oder morgen nach ESG-Daten? Daraus ergeben sich oft klare Prioritäten.

Drittens: Verantwortlichkeiten intern klären – wer kümmert sich um das Thema? Wer sammelt Daten? Kleine Schritte, sichtbare Erfolge, schnelle Lerneffekte – das motiviert das Team und schafft die Grundlage für eine strukturierte Weiterentwicklung
 

  • 12. Welche Unterstützung brauchen KMU aus Ihrer Sicht am dringendsten?

Am wichtigsten ist aus meiner Sicht klare, praxisnahe Kommunikation aus der Politik in Verbindung mit einer mittel- bis langfristigen Planungssicherheit für die Unternehmen. Letztendlich geht es für die KMU ja auch um Investitionen und ggf. in den Aufbau neuer, nachhaltigere Geschäftsmodelle. Das braucht Zeit und dazu müssen KMU wissen, wie sich Märkte entwickeln, was zukünftig von unterschiedlichen Stakeholdergruppen gefordert sein wird und wie eine pragmatische Transformation des Geschäftsmodells angegangen werden kann. Das ist nicht Rocket Science, aber das kann man auch nicht jedes Jahr wieder neu beginnen, nur weil die Politik es sich wieder anders überlegt hat.

  • 13. Zum Schluss: Was wünschen Sie sich für die nächsten Monate im Umgang mit Green Deal, VSME und OMNIBUS – sowohl seitens der Politik als auch von den Unternehmen selbst?

Ich wünsche mir von der Politik weniger Komplexität, mehr Planungssicherheit und Unterstützung bei der praktischen Umsetzung, wo sie von den KMU benötigt wird.
Von den Unternehmen wünsche ich mir Mut, Nachhaltigkeit als echte Zukunftschance zu begreifen und nicht nur als regulatorische Bürde. Denn nur über Bürokratie zu jammern, ist zu kurz gedacht und verkennt, dass unternehmerisches Handeln die Grundvoraussetzung für erfolgreiches Unternehmertum ist.

Und Ihre Fragen? Die beantworten wir in der Green Deal Sprechstunde!

Greentech.Ruhr bietet an jedem letzten Mittwoch im Monat von 08:30 bis 09:15 Uhr eine Sprechstunde mit dem Autor unseres Artikels, Dr. Martin Bethke, an. Stellen Sie direkt Fragen zur Umsetzung, Bedeutung und Implementierung von Nachhaltigkeitsstrategien für Ihr Unternehmen. Die Teilnahme ist kostenlos.

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Christian CubProjektmanager
Greentech.Ruhr
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