Interview mit Ruhr Tourismus-Chef Axel Biermann
"Mach mal Ruhrlaub" heißt der Slogan der Ruhr Tourismus GmbH. Was schätzen die Touristen am Ruhrgebiet besonders?
Das Ruhrgebiet ist noch kein klassisches Reiseziel. Die montanindustrielle Vergangenheit ist weithin sichtbar und spürbar. Gleichzeitig ist es eine wirklich grüne Region mit vielen Parks, Halden und Wäldern. Diese Kombination macht es einzigartig. Wir überraschen immer wieder durch hochkarätige Festivals und Events, die Dichte an Kultur- und Freizeitangeboten sowie die herausragende radtouristische Qualität des Ruhrgebiets. Nicht zu vergessen natürlich unser Alleinstellungsmerkmal: die Industriekultur. Bei den Events steht der „Tag der Trinkhallen“ bei den Menschen innerhalb und außerhalb des Ruhrgebiets hoch im Kurs. Zuletzt hat er 2018 stattgefunden und die Rufe nach einer Wiederholung waren schon kurz nach der Veranstaltung laut. In diesem Jahr war es endlich soweit, der Tag der Trinkhallen hat erneut stattgefunden und war ein voller Erfolg. Diese bunte, häufig noch unbekannte Mischung ist es, was uns zu einer spannenden Destination für die Touristinnen und Touristen macht. Wir sind ein junges Reiseziel, es gibt hier noch Vieles zu entdecken und zu erleben.
Wie hat sich das touristische Angebot in den letzten zehn bis 15 Jahren gewandelt und wohin wird es sich in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Der Tourismus befindet sich in einem Veränderungsprozess und die Destinationen müssen sich verändern, um die entstehenden Chancen nutzen zu können. Auf Grundlage von Marktforschung und fundierten Analysen des touristischen Angebots hat sich vor allem im Bereich der Zielgruppen und der daraus resultierenden Strategie in den letzten zehn Jahren einiges getan. Immer mehr Menschen informieren sich online. Sie wollen authentische Inhalte, die sie inspirieren. Viele Menschen wollen Neues entdecken und dabei in die Lebenswelt der Einheimischen eintauchen. Wir haben uns strategisch dem vom Tourismusverband NRW e.V. verfassten Zielgruppenkonzept angepasst und unsere Hauptzielgruppe auf das Sinus-Milieu der Expeditiven gelegt. Nun ist es daran, die für sie passenden Angebote und Marketinginhalte aufzubereiten und zu kommunizieren. Daneben wird aufgrund der Megatrends Nachhaltigkeit, Sicherheit sowie der mit Sicherheit dauerhaft hohen Mobilitätskosten der Nahtourismus ein starkes Wachstum erfahren, was uns mit einem Einzugsgebiet von ca. 30 Millionen Menschen in zwei Auto-/Bahnstunden in eine sehr gute Position bringt.
Wie hat sich die Zahl der Übernachtungen und der Gesamtbruttoumsatz in den letzten zehn Jahren entwickelt?
Seit der „touristischen Initialzündung“ RUHR.2010 hatte die Metropole Ruhr bis zur Corona-Pandemie durchweg steigende Gästezahlen zu verzeichnen. So stiegen die in den offiziell statistisch erfassten Beherbergungsbetrieben (mindestens zehn Betten) registrierten Gästeankünfte von 2010 bis 2019 um 29,33 Prozent auf knapp 4,5 Millionen und die Übernachtungszahlen um 32,26 Prozent auf 8,6 Millionen Mit 7,9 Milliarden Euro Gesamtbruttoumsatz (Quelle: dwif 2021) und 11,9 Millionen Übernachtungen (inklusive Übernachtungen bei Verwandten und Freunden) ist der Tourismus im Ruhrgebiet ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Corona-Pandemie hat den Tourismus in der Metropole Ruhr schwer getroffen und das Rekordwachstum der vergangenen Jahre beendet. Die Zahl der Übernachtungen ist im Jahr 2020 auf 6,9 Millionen gesunken – im Vergleich mit dem Vorkrisenjahr 2019 ist das ein Minus von 42,5 Prozent. Diese Entwicklung führte zu einem starken Verlust des Bruttoumsatzes um 32 Prozent auf 5.384,2 Millionen Euro. 2022 sieht es im ersten Quartal mit einer Steigerung der Übernachtungszahlen von 122,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wieder etwas besser aus. Wir hoffen, dass wir in 2023 wieder das Vorkrisenniveau erreichen werden. Daraus ergeben sich mit Hinblick auf unsere strategische Neuausrichtung, die gerade junge Leute anspricht, große Potenziale, die es nun in Gänze zu nutzen gilt.
Wie genau sieht das touristische Profil des Ruhrgebiets heute aus? Was ist die Vision der Ruhr Tourismus GmbH?
Trotz der Internationalen Bauausstellung Emscher Park und Kulturhauptstadt RUHR.2010 sind wir in der Entwicklung noch keine etablierte Städtedestination wie Köln, Hamburg oder Berlin. Unser Vorteil: Wir sind immer noch unbekannt, entdeckenswert und befinden uns abseits der ausgetretenen Touristenpfade. Unsere Wettbewerber sind eher Städte wie Leipzig, Nantes, Antwerpen oder Bilbao. Wir sind eine Destination der Zukunft, die noch viel Entwicklungspotenzial hat. Wir wollen dies mit Selbstbewusstsein und Überzeugung nach Außen tragen und uns entsprechend im Marketing bei den Angeboten und der Nachfrage positionieren. Unsere Vision lautet: „Das Ruhrgebiet ist die kreative, offene und freundschaftliche Stadt der Städte. Damit sind wir 2030 genauso touristisch attraktiv und erfolgreich wie die europäische Elite der Kreativdestinationen.“
Welche Art von Urlaub ist momentan besonders beliebt bei den Touristen?
Der Rad- und Aktivurlaub in der Metropole Ruhr erfreut sich großer Beliebtheit – dieser Trend wurde durch die Pandemie noch einmal verstärkt. Draußen an der frischen Luft unsere Region zu erleben, mit dem Fahrrad oder zu Fuß ist eine sehr beliebte Freizeitgestaltung, nicht nur bei Touristen. Die Aktivreisebranche erlebt einen Boom. In den Sommermonaten sind einige unserer Radreisepauschalen bereits ausgebucht. Aber auch die kulturellen Angebote sowie der Besuch von Events finden nach und nach wieder mehr Zuspruch.
Herr Biermann, herzlichen Dank für das Interview.
Das Interview führte Karoline Rösner, Projektmanagerin bei der Business Metropole Ruhr.
Mehr Informationen und tolle Freizeittipps: https://www.ruhr-tourismus.de
Der Reiseblog „Mein Ruhrgebiet“: https://www.mein-ruhrgebiet.blog
Weitere Meldungen
Grüne Innovationen bei der E-world in Essen
Versorgungssicherheit, Atomausstieg und Dekarbonisierung sind derzeit die bestimmenden Schlagwörter…
Passion.Power.People.
Start-ups, Unternehmen und Investoren aus dem In- und Ausland vereint: Der ruhrSUMMIT 2023 bringt…
Die Zukunft vor Augen
Extended-Reality-Technologie (XR) ist die Zukunft: Das Leben in den Städten wird sich in den…
Innenstadtdialog Ruhr: Lebensqualität in der City
Wie sieht die Innenstadt der Zukunft aus? Beim Innenstadtdialog Ruhr wird die Perspektive…